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  • AutorenbildOlivia Grove

Beatrice Frasl: Patriarchale Belastungsstörung - Geschlecht, Klasse und Psyche | Rezension

《 R E Z I 》

Beatrice Frasl: Patriarchale Belastungsstörung - Geschlecht, Klasse und Psyche  VÖ: 1. Dezember 2022, Haymon Verlag


Beatrice Frasl: Patriarchale Belastungsstörung - Geschlecht, Klasse und Psyche

VÖ: 1. Dezember 2022, Haymon Verlag • •

Absolut beeindruckend! Scharfzüngig klug & erfrischend rebellisch


"Wenn es um psychische Gesundheit und Krankheit geht, tun wir oft und gerne so, als ginge uns das alles nichts an." (S. 14)
"Psychisch Erkrankte sind keine 'Wesen von einem anderen Stern'. Im Gegenteil, sie sind 'zutiefst menschlich'." (S. 15)


Beatrice Frasl zeichnet ein schonungslos ehrliches Spiegelbild der Gesellschaft in Sachen psychische Gesundheit, das beeindruckend scharfzüngig, fundiert und detailliert ist und gleichzeitig erfrischend rebellisch provokativ.


Für mich persönlich war jede einzelne Seite faszinierend, interessant, ja sogar passionierend. Es war ein permanentes Gefühl, dass ich das Buch nur ungern beiseitelegen möchte, sobald ich einmal mit dem Lesen begonnen hatte.


Beim Lesen erfahren wir, dass nicht alle psychischen Erkrankungen im selben Ausmaß stigmatisiert sind, denn je enger sie im gesellschaftlichen Diskurs mit "Verrücktheit" assoziiert sind, desto weniger dürfen sie thematisiert werden, so Frasl:


"Vor allem Störungsbilder, die psychotische Schübe beinhalten, also Schizophrenie oder manche Formen dissoziativer Störungen, wahnhafte Störungen und starke Ausprägungen bipolarer Störungen scheinen in wesentlich stärkerem Ausmaß stigmatisiert und tabuisiert zu sein als Erkrankungen ohne psychotische Episoden." (S. 65)


So schlussfolgert die Autorin, dass psychisch Kranke in zwei Kategorien sortiert werden: Jene, mit Depressionen und Ängsten und jene, die "wirklich Verrückten", denen gegenüber die Vorurteile weiterhin aufrechterhalten oder sogar verstärkt werden.


Und so mögen Insta-Influencerinnen, Schauspielerinnen etc. ihre Followerschaft den lieben langen Tag dazu auffordern, in Therapie zu gehen - doch, wenn keine Kassenplätze frei sind, werden das nur die wenigsten von den Betroffenen tun können.


Ein absolutes Must-read!



⭐⭐⭐⭐⭐



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кℓαρρєηтєχт:

// Patriarchat und mentale Gesundheit: Beatrice Frasl wühlt tief in den Eingeweiden unseres "kranken" Gesundheitssystems. Psychische Gesundheit ist politisch In Ländern wie Deutschland und Österreich können wir uns auf eine medizinische Notversorgung verlassen. Gibt es einen Unfall, wird ein Rettungswagen gerufen, Patient*innen werden in ein Krankenhaus gebracht und schnellstmöglich versorgt. Selbstverständlich, oder? Immerhin wäre es für uns unvorstellbar, mit einem Knochenbruch wieder nach Hause geschickt zu werden, einschließlich einer Wartefrist von sechs Wochen. Bis ein Behandlungsplatz zur Verfügung steht. In etwa so gestaltet sich jedoch die Situation im Bereich der psychischen Erkrankungen. Denn: Unser Gesundheitssystem schreibt, als Teil unseres Gesellschaftssystems, Ungleichheiten fort. Sozialer und ökonomischer Background, kulturelle Rahmenbedingungen und der neoliberale Leistungsgedanke bestimmen, wer gesund ist und wer nicht, wer krank sein darf und letztendlich auch: wem Behandlungsmöglichkeiten offenstehen und wem diese verwehrt bleiben. Ungleichheit in der psychischen Krankenversorgung geht uns alle etwas an! Du fragst dich, was Geschlecht und die Versorgung psychischer Erkrankungen gemeinsam haben? Was das Patriarchat mit der Diagnose von Krankheiten zu tun hat? Spoiler-Alarm: sehr viel! Der Grund, warum Frauen so viel häufiger von Depressionen und Angsterkrankungen betroffen sind als Männer, warum Männer jedoch weniger oft Ärzt*innen aufsuchen und sich behandeln lassen, liegt u. a. in den stereotypischen Vorstellungen und Rollenbildern, die wir im Laufe unseres Aufwachsens erlernt haben. Und: Frausein im Patriarchat bedeutet Gefährdung auf vielen Ebenen. Der Mangel an ökonomischer Sicherheit, die körperliche und psychische Gewalt, denen Frauen sehr viel häufiger ausgeliefert sind, und die Doppelbelastung, die durch Arbeit und Care-Arbeit auf den Schultern von Frauen lastet, sind zusätzliche Gründe dafür, warum weibliche Personen zur Risikogruppe zählen und durch unzureichende Krankenversorgung abermals benachteiligt sind. Stigmatisierung und Tabuisierung: Wie können wir mit psychischen Erkrankungen umgehen? Dass die psychische Krankenversorgung keine Selbstverständlichkeit ist, hängt eng mit der Pathologisierung bestimmter menschlicher Empfindungen zusammen, die nicht in das kapitalistische System passen. Besonders Frauen, ihre Körper und ihre Wahrnehmungen sind und waren schon immer ein Instrument zur Ausübung patriarchaler Kontrolle. Geschlechterrollen, der "Diagnose Gap" und gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse – Beatrice Frasl zeigt in diesem Buch: Das Sprechen über psychische Gesundheit ist ein feministischer Akt, ein Akt, der uns allen die Macht über uns selbst zurückgeben kann. //
 
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