《 R E Z I 》
Michaela Kastel: Verirrt: Thriller
VÖ: 14. August 2024, Heyne
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Du suchst einen Thriller, der dir unter die Haut geht und sich in deine Seele gräbt?
»Um mich drängt sich die Dämmerung. Geräusche gefrieren in der Luft zu winzigen Schneeflocken, die sich anfühlen wie die Überbleibsel einer gesprengten Welt; voller Erinnerungen und klagend flüsternder Stimmen.« (S. 80)
Michaela Kastels »Verirrt« hat mich sofort ab der ersten Seite gepackt und bis zum Ende nicht mehr losgelassen.
Der düstere Vibe des Psychothrillers, kombiniert mit einem zauberhaften Schreibstil und faszinierend vielschichtigen Charakteren, machen ihn auch dank des raffiniert konstruierten Plots zu einem echten Pageturner.
»Es wird kalt, und die letzten Sonnenstrahlen verblassen zwischen den Bäumen zu einem kühlen, silbrigen Hauch. Im Wald beginnt die Geisterstunde. Ich merke es an den Schatten, die langsam über den Boden kriechen, sich ausbreiten wie eine schwarze, bösartige Substanz.« (S. 79)
Die spooky Waldkulisse – bedrohlich, mysteriös und voller Geheimnisse – intensiviert das unheimliche Gefühl, das wie dichter Nebel die Story durchzieht.
Besonders beeindruckend ist die psychologische Tiefe der Protagonistin. Ihre Ängste und inneren Kämpfe fühlen sich extrem real an und hauchen der Geschichte eine bedrückende Emotionalität ein.
Der Mix aus verschiedenen Perspektiven – „Sie“, „Er“, „Es“ und „Wir“ – verwirrt anfangs ordentlich, bis die Puzzleteile langsam zusammenpassen.
Die Spannung steigert sich von Kapitel zu Kapitel, und obwohl manche Wendungen zu erahnen sind, gibt es immer wieder clever platzierte Details und überraschende Twists, die mich eiskalt erwischt haben.
Kritik?
Zu Beginn der Story flieht die Protagonistin Felizitas mit ihrer neunjährigen Tochter aus ihrem Zuhause. Verwundert hat mich, dass die Kleine dabei weder ihre Freundinnen noch ihr vertrautes Leben vermisst.
»Eigentlich ist es doch ein Hexenhaus. Mama praktiziert eine Art althergebrachte Heilkunde, seit Jahren verdient sie damit gutes Geld, verkauft ihre selbst gemachten Pasten, Tinkturen und Tees […].« (S. 27)
Im Verlauf der Story gewinnen die Tees von Felizitas' Mutter, die Fee selbst ironisch als ‚Drogen‘ betitelt, immer mehr an Bedeutung.
Es hätte für mich das Potenzial gehabt, am Ende zu enthüllen, welche geheimen Substanzen ihre Mutter zusätzlich in ihre ‚Muntermacher‘- und ‚Schlaf‘-Tees gemixt hat, um eine stärkere Wirkung zu erzielen als bloße Heilkräuter aus ihrem Garten. Das hätte der Story eine zusätzliche, facettenreiche Dimension verliehen.
Fazit:
Wer auf atmosphärische Thriller steht, in denen sich psychologische Spannung und Nervenkitzel die Waage halten, kann sich darauf freuen, die Gänsehaut auf der Haut tanzen zu lassen.
Ein Werk mit witchy vibes, das die Grenze zwischen Realität und Albtraum verwischt und dich noch lange nach dem Lesen nicht loslässt.
⭐⭐⭐⭐,5
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