《 R E Z I 》
Lidia Yuknavitch: In Wasser geschrieben
VÖ: 16. Oktober 2024, btb Verlag
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Claudia Max.
• •
Atemberaubend deep – wild, schmerzhaft, transformierend
352 Seiten in einem einzigen Leseexzess durchsuchten? Ich verspreche dir, das ist mit dieser Lektüre unvermeidlich. Nach der Hälfte musste ich mich zwingen, es zur Seite zu legen. Durchzuatmen.
Schreibmagie? Ein heraufbeschworener Dschinn zwischen den Zeilen?
Ehrlich: Ich weiß nicht, wann mich ein Buch zuletzt so sehr verschlungen hat. So etwas habe ich noch nie zuvor gelesen.
Lidia Yuknavitch schreibt mit einer poetischen Wucht, als würde sie selbst in Flammen stehen – ihre Worte brennen vor Wut und Rebellion. Ihre Sehnsucht nach Zerstörung und die Intensität ihrer Empfindungen sind pure Glut, alles entfacht von einem einzigen Funken.
Seite um Seite kreiert sie Bilder, die wie Blitze ins Bewusstsein schießen. Doch es ist ihre radikale Schreibkunst, Trauma in etwas Erhabenes zu verwandeln, die das Memoir über alles hinaushebt – brutal, schön und unvergleichlich.
+++
»Bevor die Hände meines Vaters sich an uns vergingen, war er ein Architekt und Kunstliebhaber.« (S. 111)
Das nächste Zitat beschreibt einen dissoziativen Zustand, der als Schutzmechanismus bei überwältigenden, traumatischen Erfahrungen eintritt. Der Moment, in dem die Seele den Körper „verlässt“, verweist auf das Phänomen der Abspaltung, bei dem das Bewusstsein sich von der Realität löst, um unerträgliche emotionale und körperliche Schmerzen zu überstehen – eine Flucht in die Leere, einzig um zu überleben:
»Das Delirium, in dem ich mich in diesen Wochen befand, habe ich nur noch einmal in meinem Leben erlebt. Denn es gibt Zeiten, in denen eine Seele einen Körper verlassen muss, Zeiten, die nicht Tod sind.« (S. 146)
In folgenden Zitaten symbolisiert der Übergang zur „Todesschwelle“ die Konfrontation mit tiefem Schmerz, um sich durch dessen bewusste Wiedererfahrung zu transformieren – eine fast kathartische Auseinandersetzung mit Trauma:
»Was ich wirklich wollte, war an den Rand dessen gebracht zu werden, was mein Ich war. An eine Todesschwelle. Vielleicht nicht wörtlich. Vielleicht doch wörtlich.« (S. 187)
»Dies: Territorien, die mir seelische Schmerzen verursacht hatten, waren nun verfügbar, und ich konnte sie erneut körperlich durchqueren – durch einen Schmerz, der mich … wie Wasser reinigte.« (S. 188)
⭐⭐⭐⭐⭐
• • •