Tamar Noort: Der Schlaf der Anderen | Rezension
- Olivia Grove
- vor 23 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 12 Minuten
《 R E Z I 》
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Tamar Noort: Der Schlaf der Anderen: Zwei Frauen, eine Freundschaft und die Suche nach dem richtigen Platz im Leben
Erschienen am 17. Juni 2025 im Kindler Verlag.
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Ein Roman, der berührt, aber nicht erschüttert
Wenn Dramatik flüstert, statt bebt
Tamar Noorts Sprache gleitet wie Nebel über eine schlaflose Landschaft – entrückt, manchmal fast zu zart, um zu tragen. Dabei wirkt die Handlung seltsam schläfrig. Wer auf emotionale Wucht hofft, auf Konflikte mit Tiefe und Nachhall, wird enttäuscht.
Die Freundschaft zwischen Janis und Sina – das emotionale Rückgrat des Romans – bricht nicht, sie bröckelt. Und zwar so leise, dass man es fast überliest. Der „Verrat“, der zum Zerwürfnis führt, wirkt eher wie ein dramaturgischer Lückenfüller als wie ein echter Wendepunkt. Er rauscht an der Oberfläche vorbei wie ein Traum, an den man sich beim Aufwachen nicht mehr erinnern kann. Was als psychologisches Kammerspiel beginnt, verpufft in Andeutungen.
Schlaflos im Zufallsmodus
Noort gelingt es, Themen wie Burnout, weibliche Unsichtbarkeit und eine tiefe, existenzielle Müdigkeit mit feiner Feder anzureißen – doch zu oft bleibt es beim Andeuten. Statt Konsequenzen führen Zufälle die Charaktere durch eine lose verknüpfte Szenenfolge: Wenn ein Sofa durch einen Friedhof getragen wird oder ein Schulgebäude zur nächtlichen Zufluchtsstätte wird, fragt man sich: poetische Freiheit oder Flucht vor erzählerischer Konsequenz? Was skurril wirken soll, wirkt stellenweise eher beliebig – als würden die Protagonisten in einem Zustand zwischen Wachen und Dämmern wandeln, in dem nichts wirklich zählt.
Genre-Standard ohne Widerhaken
„Der Schlaf der Anderen“ reiht sich ein in eine mittlerweile etablierte Riege introspektiver Frauenromane, bleibt darin aber erstaunlich zahm. Wer das Genre kennt, hat vieles hier schon gelesen: zarte Melancholie, weibliche Innenwelten, das langsame Verlorengehen im eigenen Leben.
Noort schreibt feinfühlig. Aber schön reicht nicht, wenn man mehr als Stil erwartet: Tiefe, Konsequenz, Reibung.
Auch die Protagonistinnen wirken diffus – Schlaflosigkeit, Erschöpfung, gesellschaftlicher Druck: alles vorhanden, aber ohne emotionale Dichte.
Was zurückbleibt, ist ein Buch, das durchaus berührt – aber nicht erschüttert, nicht wachmacht.
In einem ohnehin überlaufenen Genre weiblicher Selbstreflexion fügt sich der Roman klanglos ein, ohne dessen erzählerische Grenzen neu auszuloten oder zu verschieben.
Dabei gelingt es dem Werk nicht, mit einer originellen und frischen Stimme herauszustechen und zu überzeugen.
⭐⭐⭐
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